Wir kommen am späten Nachmittag in Ahipara an. Es ist schön warm, aber von surfbaren Wellen ist weit und breit keine Spur. Wenn man schon nicht surfen kann, wollen wir zumindest ein bisschen im Meer baden gehen. Wir checken schnell am Campingplatz ein, suchen uns einen schönen Stellplatz in den Büschen und dann ab zum Strand. Dieser befindet sich zum Glück mal wieder in unmittelbarer Nähe. Soll heißen, wir können in unseren Flip Flops hin schlendern. Was will man mehr?! Ok, Wellen wären noch schön gewesen. 

Zurück am Campingplatz freue ich mich über die guten Sanitäranlagen. Die kleinen Dinge machen einen inzwischen extrem glücklich und dazu zählt eine gute warme Dusche. Immerhin wohnen wir jetzt seit fast 4 Monaten in einem Campervan. Verstörend wirkt auf mich jedoch das deutschsprachige Radio, das mich während meiner Duschzeit beschallt. Zuerst kommt mir nur irgendwas komisch vor und dann fällt mir auf, dass „jemand“ gerade Deutsch spricht. Was es damit auf sich hat, hab ich nicht weiter recherchiert. Aber vermutlich sind die Besitzer einfach Deutsche. 

Unsere Stellplatz-Nachbarn kommen aus den Niederlanden. Ich würde schätzen, dass die beiden grob in unserem Alter sind. Wir tauschen uns ein bisschen aus und erfahren, dass sie auch auf einer längeren Reise sind. Sie fliegen allerdings über Asien zurück nach Europa und waren bei der Wahl ihrer Reiseziele etwas exotischer als wir unterwegs. Für uns wird es in wenigen Wochen nach Hawaii gehen und die beiden reisen nach Indien weiter. Rückblickend hab ich mich etwas geärgert, dass wir relativ spät in Kontakt gekommen sind. Ansonsten hätten wir vielleicht einen gemeinsamen Abend miteinander verbringen können und noch mehr über ihre Erlebnisse erfahren. 

An unserem ersten Tag in Ahipara wollen wir die Gegend etwas erkunden. Vor allem interessiert uns die Shipwreck Bay, ein bekannter Surfspot in Neuseeland. Wir schauen uns das ganze erst mal von einem Aussichtspunkt an und haben einen wunderbaren Blick über die Bucht. 

Unten in der Bucht angekommen, finden wir einen Parkplatz auf einem privaten Grundstück vor, wo man gegen einen kleinen Betrag den ganzen Tag stehen kann. Wir schauen uns ein bisschen um und gehen baden, weil wieder mal keine Wellen in Sichtweite sind. Später werden wir noch erfahren, dass dieser Spot zum einen nicht besonders oft läuft und zum anderen auch nur bei low tide funktioniert. So, stand es zwar auch im Surf-Guide Buch, aber wir konnten uns nicht vorstellen, dass man wirklich so gar keine Erhebungen sieht, wenn nicht gerade Ebbe ist. Wobei an diesem Tag wirklich nichts ging. 

Das Wetter ist heute etwas durchwachsen. Sonne und Wolken wechseln sich ab. Irgendwann färbt sich der Himmel richtig dunkel und wir vermuten, dass jetzt das vorhergesagte Unwetter aufzieht. Somit machen wir uns früher als geplant auf den Rückweg von unserem kleinen Tagesausflug. Am Ende zieht nur hier und da ein kleiner Schauer vorbei. 

Am Abend laufen wir nochmal zum Strand um die Abendstimmung zu genießen. Für einen Sonnenuntergang ist es zu bewölkt und trotz Westküste würde man nicht den Feuerball über dem Meer sehen, weil der Strand nach Nordwesten ausgerichtet ist. Seitdem ich surfe, habe ich mich sehr viel mit Himmelsrichtungen und Ausrichtungen von Stränden beschäftigt. 😀 

An unserem zweiten Tag in Ahipara finden wir endlich die ersehnten Wellen. Unser letzter Surf liegt bereits wieder eine Woche zurück, daher sind wir entsprechend ausgehungert. Außer uns ist nur ein anderer Surfer im Wasser. Gut die Wellen sind jetzt nicht Weltklasse, aber wir sind schon schlechteres gesurft. Rein in den Neopren und ab ins Wasser. Im Laufe der Session gesellen sich noch ein paar weitere Surfer zu uns, aber das Lineup bleibt relativ leer. Später wird auch klar warum, aber dazu gleich mehr. Als ich aus dem Wasser gehe, treffe ich am Strand auf einen Deutschen, der mich aufgrund meines Fatum Surfboards sofort erkannt hat. Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass wir in Neuseeland als Europäer bzw. Deutsche anhand unserer Bretter identifiziert werden. Der Typ lebt und arbeitet aktuell im Hostel um die Ecke und ist mit seinem Kumpel an den Strand gekommen, um PER DROHNE die Wellen in der Shipwreck Bay zu checken. Tja, Webcam war gestern, jetzt fliegt man mit der Drohne zum Surfspot und macht den Swell-Check. Aktuell zeigt die Kamera wohl noch nichts an, aber angeblich soll ein bisschen Swell ankommen, erzählt er mir. Ich frage nach, ob der Spot tatsächlich nur bei low tide läuft und er bestätigt das. Aktuell befinden wir uns so grob in der Mid-Tide. Wir quatschen noch ein bisschen über Reisen, Surfen und die Welt und dann verabschiedet er sich. 

Irgendwann kommt Rainer auch aus dem Wasser. Ich berichte von der Drohne und meinem neu erworbenen Wissen. Zum Glück will Rainer sich aber mit eigenen Augen von den nicht vorhandenen Wellen überzeugen und so fahren wir in die Shipwreck Bay. Als wir dort ankommen, sind schon die ersten Surfer da und machen sich bereit. Immer wieder sehen wir auch Autos mit 4-Wheel Drive über den Strand um die Ecke verschwinden. Kurz beobachten wir die Situation und entscheiden uns dann direkt in der vorderen Bucht zu surfen. Die Wellen sind nicht grandios oder besonders gut, aber man bekommt schließlich nicht alle Tage die Chance einen Point-Break mitten im Nirgendwo von Neuseeland zu surfen. Um uns herum sind viele Familien und Longboarder im Wasser. Also meine Wellenausbeute war deutlich schlechter als an dem vorherigen Strand, aber immerhin hab ich am Ende noch 2-3 Wellen abgefischt. 

In meinem Surf-Tagebuch habe ich zu diesem Surftag folgende Emojis gefunden: ☺️😎🏄🏽‍♀️ 

Besonders lang waren wir nicht im Wasser, aber das war ok, wir hatten ja vorher schon unseren fair share an Wellen. Zurück am Campervan treffen wir den nächsten Deutschen, der gerade darauf wartet, dass sein Kumpel ihn einsammelt. Er erzählt uns, dass es um die Ecke richtig gute Surfspots gibt, man muss allerdings mit einem 4-Wheel Drive hinfahren und auch rechtzeitig – also vor der high tide – wieder zurück, sonst hängt man fest. Gut, unser Auto hat eh keinen Vierradantrieb, daher ist diese Option ziemlich schnell vom Tisch. Zu Fuß scheint es ein relativ langer Weg zu sein, daher nehmen wir statt unseren Surfbrettern lieber unsere Kameras mit. 

Als wir loslaufen kommen auch noch Wildpferde am Strand vorbei. Da fragt man sich „Was ist hier eigentlich gerade los?!“. Die Landschaft, die entspannte Atmosphäre, die Surfer, Wildpferde… was kann jetzt noch kommen?! Und es kommt noch mehr. 

Kurzer Einwurf: Außer uns ist übrigens fast niemand zu Fuß unterwegs. An eine Schweizer Familie kann ich mich noch erinnern. Aber das war’s dann auch schon.

Wir erkunden jeden Winkel. Beobachten und genießen die Landschaft und Weite um uns herum. Kühe grasen fröhlich das saftige grüne Gras. In den von der Ebbe freigelegten Riffplatten und Wasserlöcher suchen wir nach Mr Crabs und finden … einen Oktopus!! Ich kann es gar nicht fassen und drücke einfach nur entgeistert auf den Auslöser meiner Kamera. Das Bild ist natürlich extrem schlecht geworden. Aber den Anblick wie der Oktopus, nachdem er uns entdeckt hat, in Windeseile in seine Höhle zurück ist und seine Farbe der Umgebung angepasst hat, werde ich nie vergessen. Ich wurde Zeuge von einem unglaublichen Naturschauspiel. Eine ganze Weile hatte ich die Hoffnung, dass wenn ich mich nicht mehr bewege, der Oktopus sich nochmal aus seiner Höhle traut. So stand ich da also mit meiner Kamera wie angewurzelt und wartete. Leider hat sich aber nichts mehr getan. Daher bleibt nur die schöne Erinnerung und das schlechte Foto. 

Wir laufen danach noch eine gutes Stück weiter. Es reiht sich ein Surfspot an den anderen. Irgendwann wird uns klar, wir müssen den ganzen Weg auch wieder zurück. Wir kehren um. Und wie so oft ist der Hinweg aufregender als der Rückweg. 

Im Laufe des Tages hatten wir entschieden, dass wir noch eine weitere Nacht bleiben werden und so fahren wir ganz beseelt von diesem großartigen Tag zurück zum Campingplatz. 

Am nächsten Morgen checken wir nochmal die Wellen am Ahipara Strand. Rainer geht surfen. Ich bin nicht überzeugt und bleibe am Strand. Was für eine unerwartet gute Entscheidung. Ich komme mit einer älteren Neuseeländerin ins Gespräch. Sie ist frisch gebackene Rentnerin. Wir verstehen uns auf anhieb blendend. Ihr Mann ist weniger gesprächig und zieht mit seiner Angel davon. Sie erzählt mir von ihren Kindern, ihren Reisen nach Europa, der Zeit der Corona Pandemie in Neuseeland, dass ihr Sohn ihr diesen Ort hier empfohlen hat und dass sie schon bald gemeinsam mit Freunden mit dem Fahrrad durch Frankreich reisen werden. Ich kann mich nicht an alle Details von unserem Gespräch erinnern, aber ich weiß noch, dass wir sehr lange geredet haben und die Zeit einfach nur so verflog. Manchmal trifft man Menschen mit denen es extrem einfach ist ein gutes Gespräch zu führen. Irgendwann kommt Rainer aus dem Wasser. Als ich mich verabschiede, sage ich noch „Thanks for the chat“ und sie antwortet „Thank you,… we are both very good chatters“. Während wir mit unserer Klapperkiste davon tuckern, winkt sie zum Abschied. Ich liebe solche Begegnungen. 

Ahipara und die Shipwreck Bay waren wunderbar. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. 

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