Mehr als nur ein Aussichtspunkt
Wer schon mal auf São Miguel war, der war bestimmt auch beim „Miradouro de Santa Iria“. Hierbei handelt es sich um einen der bekanntesten und schönsten Aussichtspunkte der Insel. Tatsächlich hat man von dort auch einen atemberaubenden Blick auf die Steilküste.
Unter Surfern ist Santa Iria jedoch auch für seinen schönen Reef-Break bekannt. Der Haken für surfende Stadtkinder wie uns: Der Strand ist alles andere als einfach zugänglich. Obwohl der Spot auch schon in einigen Surf-Guide-Books vermerkt ist, muss man zudem auch noch etwas Recherche-Arbeit betreiben um den richtigen Weg zu finden. Wobei es sich bei Weitem um keinen Geheimtipp mehr handelt.
Lustig war trotzdem, dass wir unsere Gastgeber gefragt hatten, ob sie schon mal unten waren und die noch nie davon gehört haben, dass man überhaupt da runter kann. Scheint also tatsächlich nur ein „Ding unter Surfern“ zu sein.
Ich bin nicht der große Abenteurer. Zugegeben, ich wäre es manchmal gerne, aber mein Flucht- und Überlebensinstinkt gepaart mit meinem Dasein als Stadtkind, sind keine gute Kombi um wirklich verrückte Dinge zu tun. So viel nur vorne weg, damit „echte“ Abenteurer verstehen, warum der Weg nach Santa Iria für mich an ein kleines Abenteuer herankommt.
Insgesamt haben wir drei Anläufe gebraucht bis wir tatsächlich unten ankamen. Beim ersten Mal sind wir fröhlich los marschiert, waren schon bewaffnet mit unseren Kameras und kamen gerade mal gute 50m weit. Da stand ein Stier auf dem dünnen Trampelpfad. Also wirklich mitten auf dem Weg. Eine Kuh, ok, aber ein Stier. Ne, das muss nicht sein. Also Kommando zurück. Es gab auch keinen Weg außen rum.
(Ja, ich bin mir sicher, dass es ein Stier war. So viel konnte man aus der Ferne dennoch erkennen. Und nein, ich meine nicht die Hörner.)
Zweiter Versuch: Wieder machen wir uns hochmotiviert auf den Weg. Dieses Mal hatten wir uns leider einen Tag direkt nach sehr starken Regenfällen rausgesucht. Nicht so schlau. Wir kamen wieder gute 50m weit. Diesmal kein Stier, dafür ein Pferd, das uns jedoch mindestes genauso interessiert begutachtet hat wie wir das Pferd. Noch dazu wirkte der Untergrund nicht gerade stabil, alles war tief matschig und wirkte ziemlich rutschig. Ok, lassen wir das!
Ein paar Tage später haben wir uns bei einem Surflehrer am Santa Barbara erkundigt, ob der Stier ein Problem darstellt, oder ob das an unserem mangelnden Umgang mit dieser Spezies liegt. Er meinte der Stier sei kein Problem, aber das Pferd ist etwas verrückt und beißt. Wir machen ziemlich große Augen, da wir das Pferd generell als harmloser eingestuft hatten. Er entgegnet darauf hin:
„Ne ne, nicht Menschen, es beißt gerne mal in Surfbretter.“
Ah ja, na gut. Damit kann man ja zur Not leben.
Und weil alle guten Dinge drei sind, wollen wir es an unserem letzten Tag auf der Insel nochmal wissen und sind hochmotiviert es mit Stier und Pferd aufzunehmen. Rutschige Pfade sind nicht zu befürchten, das Wetter war blendend die letzten beiden Tage. Wir gelangen auf die Wiese, wo uns bisher das Vieh begrüßt hatte. Aber nichts. Keiner da. Weder der Stier, noch das verrückte Pferd. Ja, läuft heute. Und so schaffen wir es tatsächlich bis ganz nach unten. Gut einmal hat’s mich hingelegt, aber nichts dramatisches. Unten angekommen muss man noch um die Klippe rum und über Felsen und Steine klettern und dann ist man gute 20 – 30 Minuten später endlich am Strand. Hier noch der wichtige Hinweis, dass man sich vorher die Gezeiten genau anschauen sollte. Bei Flut kommt man nämlich nicht mehr zurück, weil der Zugang über die Felsen und Steine komplett im Wasser liegt. Also nur bei Mid-Tide und Low-Tide den Weg antreten und genügend Zeit für den Rückweg einplanen, ansonsten hängt man fest.
Am Traumstrand angekommen, wird leider mal wieder deutlich wie schlecht wir unsere schöne Erde behandeln.
Der ganze Strand ist voll mit Plastikmüll.
Denn genau so schaut ein Strand aus, der nicht regelmäßig gereinigt wird. Echt übel! Es macht mich wütend und traurig zugleich. Wir sind auch keine Vorzeige-Öko-Aktivisten. Gar nicht. Aber wir versuchen zumindest das Schlimmste zu vermeiden und haben die ein oder andere Gewohnheit zu Gunsten der Umwelt angepasst. Tatsächlich haben wir in diesem Urlaub sogar einfach mal „fremden“ Müll aufgehoben und in der nächsten ordentlichen Tonne entsorgt. Sollte man eigentlich öfter machen. Naja, soll jetzt kein Vortrag werden, aber wir waren tatsächlich etwas schockiert über die Masse an Müll, die wir vorgefunden hatten.
Abgesehen vom Müll ist es natürlich trotzdem schön da unten. Nur leider hatten wir uns den denkbar schlechtesten Tag zum Surfen ausgesucht. Aber man soll sich ja auch immer was für’s nächste Mal aufheben.
Außer uns war sonst auch keiner da, was nicht weiter überraschend war, da wir ja sonst auch kaum Surfer getroffen hatten. Daher waren wir umso mehr überrascht als uns auf dem Rückweg plötzlich jemand entgegen kam. Dickes Surfbrett, Crocs an den Füßen und damit relativ schnell als gleichgesinnter Tourist identifiziert. Nach einem kurzen Plausch erfahren wir, dass er aus der Ukraine kommt, gerne die Welt bereist und natürlich surft, wobei laut eigener Angabe nicht so gut. Die Wellen am Monte Verde waren ihm nicht geheuer, daher wollte er sich mal Santa Iria anschauen. So richtig einen Plan hatte er nicht. Weder was ihn erwartet, noch wie er da genau runterkommt. Wir haben ihm grob versucht die Wellensituation zu schildern und vielleicht auch davon abgeraten mit diesem dicken Prügel von Brett rauszupaddeln, wenn ihm Monte Verde nicht so geheuer war, dann wird es das hier auch nicht sein.
Irgendwann hat er uns gefragt, wo wir denn geparkt hätten. Wir: „Da wo die geteerte Straße aufhört.“ Aha, er habe sich direkt da oben hingestellt und zeigt Richtung Feld, wo sonst das verrückte Pferd verweilt. Wir leicht verdutzt: Wie da oben? Im Feld? Er: Ja! Aber er weiß selbst nicht so genau, wie er da wieder rauskommen soll. Vielleicht geht er doch besser mit uns zurück, wäre evtl. ganz gut, wenn wir ihm etwas helfen könnten.
Als wir das geparkte Auto sehen, müssen wir erst mal lachen.
„Das nenne ich mal einen portugiesischen Parkplatz!“
Mit ganz viel Kupplung, Gas und Anschieben, haben wir den Wagen zumindest auf den Feldweg zurück gebracht. Leicht aufgesessen ist er, glaube ich, auch noch und natürlich hat es ordentlich nach Kupplung gestunken.
Nie im Leben wäre ich da reingefahren, aber man sieht halt auch, was am Ende doch alles irgendwie geht. 😉
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